Schlechtleistung
Der Arbeitsvertrag als Dienstvertrag kennt keine Erfolgshaftung des Arbeitnehmers. Der Dienstverpflichtete schuldet das Wirken, nicht das Werk. Gleichwohl muss der Arbeitnehmer unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Arbeitet der Arbeitnehmer zu langsam, zu unkonzentriert, beschädigt ihm anvertraute Gerätschaften, usw. und wird dadurch der Arbeitgeber pflichtwidrig geschädigt, können für den Arbeitnehmer Rechtsfolgen erwachsen. Diese können in einer Lohnminderung, einer Kündigung oder in der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bestehen.
a) Lohnminderung
Beruht die Schlechtleistung auf Umständen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, hat der Arbeitgeber den vereinbarten vollen Lohn zu zahlen. Werden dem Arbeitnehmer z. B. mangelhafte Ausgangsprodukte zur Weiterverarbeitung überlassen und ist die Arbeitsleistung aus diesem Grunde mangelhaft, ist dieser Umstand von ihm nicht zu vertreten. Ist die Schlechtleistung vom Arbeitnehmer zu vertreten, behält er zwar seinen vollen Lohnanspruch, hingegen hat der Arbeitgeber ggf. einen Schadensersatzanspruch mit dem er gegen den Lohnanspruch aufrechnen kann. Für den Schadensersatzanspruch ist der Arbeitgeber beweispflichtig. Etwas anderes kann gelten, wenn im Arbeitsvertrag von vornherein die Entlohnung nur für mangelfreie Arbeit vereinbart ist. Der Lohnanspruch entsteht im Falle mangelhafter Leistung nicht. Will der Arbeitnehmer gleichwohl die Entlohnung erhalten, muss er das Entstehen des Anspruchs beweisen, d.h. darlegen, dass seine Arbeit mangelfrei ist bzw. der Mangel nicht von ihm zu vertreten ist.
b) Schadensersatz
Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers setzten voraus, dass der Arbeitnehmer Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat, er hierfür haftet und dem Arbeitgeber durch die Vertragsverletzung ein Schaden entstanden ist. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet mit den ihm überlassenen Arbeitsmitteln sorgsam und fachgerecht umzugehen und die seiner Berufsgruppe entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen. Beachtet somit ein Arbeitnehmer für seine Berufsausübung zwingend erforderliche Regeln und Normen nicht und entsteht dadurch dem Arbeitgeber ein Schaden, so ist zunächst grundsätzlich von einer Haftung des Arbeitnehmers auszugehen. Da die volle Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers zu Unbilligkeiten führen kann, gelten im Arbeitsrecht zu Gunsten des Beschäftigten Haftungserleichterungen, die sich nach dem Grad des Verschuldens richten. Zu unterscheiden sind Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit, mittlere Fahrlässigkeit und leichte Fahrlässigkeit. Vorsatz bedeutet, dass der Arbeitnehmer den rechtswidrigen Erfolg angestrebt hat, grobe Fahrlässigkeit, dass er den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat. Bei der mittleren Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Bei der leichten Fahrlässigkeit handelt es sich um Fehler, die auch einem besonnenem Arbeitnehmer unterlaufen können.
Die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung gelten für alle Arbeiten, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden (st. Rspr., BAG Urteil vom 18.4.2002, 8 AZR 348/01). Betrieblich veranlasst sind nur solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Die Tätigkeit muss in engen Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen. Nicht ausreichend ist, dass der Schaden während der Arbeitszeit mit einem Betriebsmittel verursacht worden ist. Der Arbeitgeber soll nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers belastet werden. Es ist somit dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzurechnen, wenn dieser z. B. während der Arbeitszeit eigenmächtig und ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein, mit einem Dienstwagen seinen Freund besucht und es während dieser Schwarzfahrt infolge eines Rotlichtsverstoßes zu einem Schaden kommt. Eine Beschränkung der Haftung kommt in diesem Fall nicht in Betracht. Andererseits ist eine betriebliche Veranlassung nicht schon dann abzulehnen, wenn der Arbeitnehmer bei der Durchführung der Arbeiten grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt und die Tätigkeit deshalb nicht im Interesse des Betriebs liegt. Es ist deshalb entscheidend, welchem Zweck die Tätigkeit diente. Eine Haftungshöchstgrenze, auch im Sinne einer summenmäßgen Begrenzung, wird vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung abgelehnt. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Entscheidung über eine solche starre Haftungshöchstgrenze dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müsse (BAG v. 15.11.2012, 8 AZR 705/11).
Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht, während bei normaler Fahrlässigkeit der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen ist. Ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch eine Versicherung abgedecktes Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers, wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten, zu berücksichtigen sein ( BAG, Urteil vom 5.2.2004, 8 AZR 91/03).
Auch bei grob fahrlässiger Schadensverursachung durch den Arbeitnehmer sind Haftungserleichterungen nicht von vornherein ausgeschlossen (BAG, Urteil v. 23.01.1997, 8 AZR 893/95, NZA 98, 140 f). Für die Einzelfallabwägung kann es entscheidend darauf ankommen, dass der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht. Verursacht der Arbeitnehmer grob fahrlässig einen Schaden in Höhe von 75.000,00 €, beträgt der monatliche Nettoverdienst aber lediglich 1.250,00 €, so ist es sachgerecht die Schadensersatzpflicht des Arbeitnehmers auf 10.000,00 € zu begrenzen.
Ein Mitverschulden des Arbeitgebers beschränkt gleichfalls die Haftung des Arbeitnehmers. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn dem Arbeitgeber ein Organisationsverschulden vorgeworfen werden kann, zur Verfügung gestellte Arbeitmaterialien mangelhaft sind oder erforderliche Überwachungen nicht durchgeführt werden. Den Arbeitgeber trifft auch eine Schadensminderungspflicht, d.h. er muss alles zumutbare unternehmen, damit der Schaden sich nicht ausweitet.
c) Kündigung
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistung grundsätzlich geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen (st. Rspr. BAG Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02).
„Ob eine Leistung als Schlechtleistung anzusehen ist, beurteilt sich nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Ist die Arbeitsleistung im Vertrag, wie meistens, der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen.“(st. Rspr. BAG Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02)
Der Entscheidung aus dem Jahr 2003 liegt eine Kündigung wegen Schlechtleistung in Form der Unterschreitung der Durchschnittsleistung aller vergleichbarer Mitarbeiter zu Grunde. Der Arbeitgeber hatte festgestellt, dass der gekündigte Arbeitnehmer langfristig (ca. 1 ½ Jahre) höchstens 2/3 der Leistung erbringt, die vergleichbare Arbeitnehmer in dieser Abteilung erbringen. Der Arbeitnehmer war zuvor darauf hingewiesen, abgemahnt und aufgefordert worden künftig 100 % Leistung zu erbringen, ohne das eine Änderung eintrat.
Im Falle der verhaltensbedingten Kündigung wegen Schlechtleistung hat der Arbeitgeber zunächst die Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Arbeitnehmer liegen. Es ist sodann Sache des Arbeitnehmers diesen Vortrag zu entkräften und darzulegen, dass er trotz erheblicher Unterschreitung der Durchschnittsleistung seine persönlichen Leistungsfähigkeit ausschöpft. Zu beachten sind hierbei z.B. Leistungseinschränkungen wegen Krankheit oder Alters, die die persönliche und individuelle Leistungsfähigkeit herabsetzen können. Der Arbeitgeber hat im Anschluss diesen Vortrag zu widerlegen. Kann der Arbeitnehmer zu seinen Leistungsdefiziten keine Gründe vortragen, ist davon auszugehen, dass solche vorliegen und tatsächlich die persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausgeschöpft wird.
Bei Leistungsdefiziten kommt auch eine Kündigung aus personenbedingten Gründen in Betracht. Eine solche wäre gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die aus seiner Sphäre stammen, nicht mehr in der Lage ist die Arbeitsleistung zu erbringen, ohne das ihn ein Verschulden trifft und ferner das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung schwer gestört ist. Es kommt weiter darauf an, dass im Sinne einer negativen Zukunftsprognose auch nicht damit zu rechnen ist, dass sich hieran etwas ändert (BAG Urteil vom 11.12.2003, 2 AZR 667/02).
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